Vorstellung in der ME/CFS Community

Kürzlich gab es wieder einen Einschlag in der ME/CFS-Community. Erneut wurde versucht, Betroffene zu verunglimpfen, zu psychologisieren und sogar als Simulanten abzustempeln. Den verlinkten Beitrag habe ich selbst verfasst, denn wie auf meiner SAPHO/CRMO-Seite in mehreren Beiträgen zu sehen ist, gibt es viele Parallelen zwischen meiner Erkrankung und dem, was ich bei ME/CFS-Betroffenen wahrnehme.

Nach meinen letzten Artikeln über ME/CFS ist meine Follower-Liste auf X deutlich gewachsen – vor allem durch Betroffene und Interessierte. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich vorzustellen und zu erklären, warum ich mich für die Community einsetze und die erlebte Ohnmacht so gut nachvollziehen kann.

Das geht bereits los bei der Stigmatisierung.

  • Als Jugendliche in den 1980er Jahren: Ein Vater, selbst Mediziner, der mich als Simulantin abtat – weil man in der Diagnostik nichts fand.
  • Als junge Frau: Etliche Jahre mit Ärzt:innen, die meine Schmerzen als „psychosomatisch“ abtaten. Immer wieder.

Ja, ich war psychisch krank. Das war ich immer. Und sicher hat meine Psyche die Intensität der Schmerzen beeinflusst. Aber die Ursache war nie psychisch.

Bei CRMO liegt das Problem darin, dass konventionelle Röntgenaufnahmen im Frühstadium praktisch nichts zeigen. Sichtbare Veränderungen entstehen oft erst nach Jahren, wenn bereits Knochenumbau oder Deformierungen eingetreten sind. Ein MRT hätte die typischen Knochenmarködeme und entzündlichen Herde viel früher aufdecken können. Doch in den 1980er Jahren war die MRT noch nicht etabliert und kaum verfügbar, sodass eine frühe Diagnose faktisch unmöglich war.

Auch Blutuntersuchungen halfen nicht weiter: Bei SAPHO wie auch bei CRMO fehlen verlässliche Biomarker. Entzündungswerte (CRP, BSG) können normal bleiben, selbst wenn der Körper klinisch in voller Entzündung steht. Die Diagnose stützt sich deshalb bis heute wesentlich auf Bildgebung und klinische Konstellation – nicht auf Laborwerte.

Genau hier zeigt sich eine Parallele zu ME/CFS: Auch dort fehlt bislang ein allgemein anerkannter, spezifischer Biomarker. Viele Ärzt:innen nutzen dieses Fehlen als Argument, die Erkrankung in die psychische oder psychosomatische Ecke zu stellen – obwohl es inzwischen zahlreiche Hinweise auf immunologische, metabolische und neurologische Auffälligkeiten gibt. Das Problem ist also nicht das völlige Fehlen biologischer Veränderungen, sondern dass bisher kein einzelner Messwert existiert, der die Diagnose eindeutig absichert.

SAPHO/CRMO und ME/CFS sind keine Einzelfälle – es gibt eine ganze Reihe etablierter Erkrankungen, bei denen bis heute keine spezifischen Biomarker existieren.


Ich gehe davon aus, dass Ärzt:innen über diesen Forschungsstand informiert sind. Wenn sie ME/CFS dennoch vorrangig psychologisieren, deutet das darauf hin, dass es hier um mehr geht als um bloßes Unverständnis einer noch nicht vollständig erforschten Erkrankung.

Nun noch ein paar Worte zu mir und meiner Vorstellung.

In den 90er Jahren begann meine erste stationäre Psychotherapie. Rückblickend weiß ich: Es waren Schübe, die massive Schmerzen verursachten. Schmerzmittel bekam ich jedoch keine.

„Frau W., überlegen Sie doch mal, was Sie da gerade aufzuarbeiten versuchen – dann wissen Sie auch, woher die Schmerzen kommen.“

Das war die Antwort, als ich um Hilfe bat. Stunden vergingen. Ein ganzer Tag. Die Ignoranz blieb. Erst in der Nacht brachte mir eine Schwester eine Wärmflasche. Sie linderte den Schmerz etwas – genug, um in einen Dämmerschlaf zu sinken. Am nächsten Tag verließ ich die Klinik, um mir selbst Schmerzmittel in der Apotheke zu kaufen.

So etwas vergisst man nicht.
Und genau das kommt hoch, wenn ich sehe, wie andere Betroffene heute in dieselbe Ohnmacht geraten.


Als Reaktion auf ein Video, in dem ein Arzt ME/CFS-Betroffene unter anderem als ‚Sekte‘ und ‚Simulanten‘ diffamierte, wehrte sich die Community öffentlich. Statt das Stigma zu hinterfragen, sprangen ihm Kollegen zur Seite – teils in aggressivem Tonfall. Auffällig dabei: Der Fokus verschob sich weg vom Leid der Patient:innen hin zu einer Selbstbemitleidung der Ärzteschaft. Genau dieses Muster – Abwehr statt Anerkennung – ist Teil des Problems.

Auf dem Screen ist eine überaus aggressive Selbstverteidigung zu sehen (es war keine Ausnahme). Damit verstärkt sich genau das Muster, das Betroffene schon kennen: Wegdrücken, Herunterspielen, Schuldumkehr.


Menschen mit ME/CFS haben eine anerkannte Diagnose. Die Erkrankung ist im ICD-10 wie auch im ICD-11 als neurologische Krankheit klassifiziert. Und doch erleben Betroffene immer wieder, dass Ärzt:innen diese Diagnose entwerten, indem sie sie als „psychisch“ oder „eingebildet“ abtun. Die Folgen sind gravierend: notwendige Therapien werden verweigert, Untersuchungen nicht durchgeführt, Hilfsmittel nicht bewilligt. Für die Betroffenen fühlt es sich an, als würden sie im brennenden Haus sitzen, während die Feuerwehr nicht löscht, sondern diskutiert, ob es überhaupt brennt.

Mit einer schweren Form von ME/CFS gelten sie rechtlich wie praktisch als behinderte Menschen – eingeschränkt in Teilhabe, Alltag, Selbstständigkeit. Doch statt Anerkennung ihrer Behinderung erleben viele Abwertung: Ihnen wird gesagt, sie seien „nicht krank genug“ oder schlicht „faul“. So verlieren sie nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch soziale Absicherung und Würde. Es ist ein doppeltes Unsichtbarmachen – zuerst durch die Krankheit selbst, dann durch die Gesellschaft.

Über Jahre hinweg gegen Ärzte, Behörden und Vorurteile ankämpfen zu müssen, während der Körper ohnehin am Limit ist, hinterlässt tiefe Spuren. Viele sprechen von einem sekundären Trauma: Die Krankheit macht schwach, doch die Reaktionen der Umwelt machen wehrlos. Was bleibt, ist das Gefühl, nicht nur gegen eine Erkrankung zu kämpfen, sondern gegen ein ganzes System, das einen nicht sehen will.


Auch ich kenne dieses Muster. Über zwanzig Jahre wurde meine Erkrankung in die psychosomatische Schublade gelegt. Anfangs vollständig – als wäre Schmerz nur Ausdruck meiner Seele. Später, als die ersten Veränderungen an den Wirbeln sichtbar wurden, verschob sich die Haltung nur teilweise: Die Krankheit SAPHO/CRMO war damals schlicht unbekannt, und so blieb das Etikett „psychosomatisch“ hartnäckig an mir haften.

Die Ohnmacht, die daraus erwächst, hat mich geprägt für den Rest meines Lebens. Fast kann ich sagen, es war mein „Glück“, dass es in den 80er und 90er Jahren noch keine sozialen Medien gab. Wäre es anders gewesen, hätte man mich wahrscheinlich ebenso öffentlich diffamiert und stigmatisiert, wie es heute ME/CFS-Betroffene erleben. Stattdessen habe ich im Stillen gelitten – und ich meine wirklich gelitten. Sarkastisch gesagt: Ich war unsichtbar, und dadurch blieb mir wenigstens die öffentliche Beschämung erspart.

Während man in med. Kreisen meine Schmerzen psychologisierte, fand in meinem Körper ein dramatischer Prozess statt: eine Art Umbauarbeit im Knochen selbst. Die Wirbelkörper entzündeten sich immer wieder, Knochenmarködeme fraßen sich durch die Strukturen, es kam zu Osteolysen, Einbrüchen der Deckplatten, Verformungen und schließlich zu einer schleichenden, schmerzhaften Ankylosierung der Hals- und Brustwirbelsäule. Bandscheiben verschwanden, Wirbel verschmolzen, Rippen und Clavicula wurden mit in den Prozess gezogen.

Diese Erfahrung der Ohnmacht hat in mir Spuren hinterlassen. Sie macht, dass ich heute mit einer besonderen Schärfe sehe, was es bedeutet, wenn Patient:innen mit einer realen, schweren Krankheit systematisch entwertet werden. Ich habe es am eigenen Leib erlebt: Wie es ist, wenn sich in deinem Körper irreversible Umbauten vollziehen, während dir jahrelang gesagt wird, das sei alles nur „Kopf“.

Darum:

Zum Schluss möchte ich mich bedanken – bei all jenen, die mir ihr Vertrauen schenken und die meine Worte lesen, obwohl sie selbst kaum Kraft für den Alltag haben. Durch die Parallelen zu meinem eigenen Weg mit SAPHO/CRMO fühle ich mich eng mit der ME/CFS-Community verbunden. Ich sehe mich nicht nur als Beobachterin, sondern als Teil dieser Gemeinschaft – weil wir denselben Kampf kennen: den gegen die Krankheit selbst und den gegen ein System, das uns zu lange nicht sehen wollte.

Was uns verbindet, ist nicht nur die Krankheit, sondern die Kraft, sie sichtbar zu machen. ❤️

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